20.02.2018
Leben in der VUCA Welt
Die Welt dreht sich nicht nur gefühlt immer schneller. Es gibt einen Begriff, der die zunehmende Komplexität und Schnelligkeit der Rahmenbedingungen beschreibt: Das Akronym VUCA setzt sich aus den vier Begriffen Volatility (Volatilität), Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Ambivalenz) zusammen. Der Begriff hat sich international in der Managementliteratur eingebürgert. Und auch in Deutschland ist er zunehmend bekannter.
Bereits 2014 haben der US Professor Nathan Bennett und und sein Doktorant James Lemoine in einem Artikel des Harvard Business Review davon gesprochen, dass der Begriff VUCA angesichts all der heutigen Unwägbarkeiten häufig als Synonym für ‚Hey, it’s crazy out there!‘ benutzt wird. Was wenig hilfreich ist. Wie aber sieht eine differenziertere Herangehensweise aus? Und was steckt eigentlich hinter dem Begriff?
V: Volatilität steht für Unbeständigkeit und hohe Schwankungen
Leichter verständlich wird der Begriff der Volatilität am Beispiel von Aktienkursen. Damit können schnelle Marktentwicklungen, wie z. B. das Aufkommen von Fintech-Unternehmen gemeint sein, die aber nicht zwingend unvorhersehbar sein müssen. Sie verlangen von Unternehmen die Fähigkeit, in Optionen zu denken, um adäquat und schnell reagieren auf Veränderungen reagieren zu können, sowie den Mut zur Lücke, da sich Analysedaten immer wieder verändern können.
Als Antwort auf die Unsicherheit wird die Fähigkeit zur schnellen Anpassung gesehen, ausgedrückt im Schlagwort ‚Agilität‘.
U: Unsicherheit steht für unklare Situationen
In einer zunehmend digitalen Welt sind Entwicklungen kaum mehr vorhersehbar, genaue Vorhersagen immer weniger möglich. Hier sollten Interpretationen und Szenarien entwickelt werden, um sich anzunähern. Um das Beispiel der Finanzbranche wiederaufzugreifen: Noch ist der Einfluss neuer Player wie der Fintech-Unternehmen sowie die Auswirkungen neuer Technologien wie der Blockchain auf die traditionellen Banken und Sparkassen nicht vorhersehbar. Aktuell ist hier keine verlässliche Marktprognose möglich.
Daraus abgeleitet wird die Notwendigkeit von Frühwarnsystemen, die nach Möglichkeit bereits Anzeichen für kommende Änderungen erkennen können. Finden Sie zum Beispiel heraus, wer die Rule-Breaker für Ihr Unternehmen sein könnten. Ein Blick über den Tellerrand der eigenen Branche ist dafür zwingend notwendig. Wissen aus der Vergangenheit hilft dagegen nicht unbedingt weiter.
C: Komplexität steht für Vielschichtigkeit
Gemeint sind Situationen, in denen viele externe Elemente zusammenspielen: Kunden und alle anderen Stakeholder, Innovationszyklen, Trends wie Globalisierung usw. Entscheidend ist hier, die externe Komplexität intern abbilden zu können bzw. einen Teil der Komplexität durch klare strategische Leitplanken zu reduzieren. Gleichzeitig gibt es in Veränderungsprozessen viele unterschiedliche Interessenlagen. Es ist daher so gut wie unmöglich, einen generellen Konsens zu erreichen. Hier ist es wichtig, den roten Faden zu finden, an dem sich alle orientieren können.
Aus der Erkenntnis, dass alle realen Systeme komplex sind, leiten Unternehmen unterschiedliche Konsequenzen ab. Einerseits werden aufwendige Modellierungsmethoden empfohlen, andererseits werden Managementsysteme entwickelt, die Organisationen zum Überleben in komplexen Umgebungen befähigen sollen.
A: Ambivalenz steht für Vieldeutigkeit
Sie kann zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen führen. Oft befindet man sich in einer widersprüchlichen Umwelt, in der mehrere Varianten richtig erscheinen und in der immer seltener klare Ursache-Wirkungsketten aufgestellt werden können. „Und was heißt das jetzt?“ ist eine typische Frage in solchen Situationen, selbst wenn eigentlich alle Fakten auf dem Tisch liegen.
Je nach spezifischem Unternehmenskontext sollte nach Bennett und Lemoine geprüft werden, welche Kräfte wirken und in welchem Ausmaß sie das tun. Abhängig vom Ergebnis können dann unterschiedliche Schwerpunkte und Lösungsansätze verfolgt werden.
Ein VUCA-Umfeld wie wir es heute vielfach finden, schafft also Raum für Innovation, macht diese gleichzeitig aber auch zu einem schwierigen Unterfangen mit vielen Risiken. Denn eine VUCA-Welt verlangt von Menschen und Unternehmen eine ständige Anpassung. Diese Anpassungskompetenz stellt vor allem Führungskräfte vor völlig neue Herausforderungen, da die derzeitigen Veränderungen auf vielen Ebenen gleichzeitig stattfinden und vor keiner Branche Halt machen: Die Aufgabe von Führungskräften besteht zunehmend im Sich-Zurechtfinden von Unsicherheiten, Chaos und Wandel. Da hilft das Beharren auf einem ‚Das haben wir immer schon so gemacht‘ wenig. Auch Abwarten und die Hände in den Schoß legen, birgt extreme Risiken.
Um die Mehrdeutigkeit von Informationen und Situationen bewältigen zu können, wird zunehmend auch ein systemisches Denken erforderlich. Also die Fähigkeit, in komplexen Zusammenhängen zu denken, bestehende Modellbildungen zu hinterfragen und flexibel auf neue Erkenntnisse zu reagieren. Strategische Denker und Innovatoren gehen daher den Mehrdeutigkeiten auf den Grund, indem sie unterschiedliche Informationsquellen nutzen und sich ein verlässliches Experten-Netzwerk innerhalb und auch außerhalb des Unternehmens aufbauen. In den unterschiedlichen Informationen und Datenquellen suchen sie Muster und entwickeln eigene Standpunkte.
Entscheidend ist aber vor allem: Hypothesen aufstellen, experimentieren und aus Fehlern lernen sind absolut notwendige Schritte, um sich in einer VUCA-Welt einer Lösung anzunähern. Dabei müssen Kurskorrekturen von Beginn an eingeplant werden, so dass Vertrauen der Mitarbeiter in den Prozess, nicht nur wie bisher in das Ergebnis, entstehen kann.